Tristesse pur in Grafenried
Das Beste vorneweg. Das Spiel vom nächsten Wochenende kann der FCB ohne gesperrte Spieler in Angriff nehmen. Das Zweitbeste hinterher, es setzte dank einer unkritischen Beurteilung des Schiedsrichters von zwei, drei Szenen, keine einzige Karte für den FCB ab.
Richtig angenommen, allzu viel Positives ist leider nicht mehr zu berichten.
Vermutlich ist der Elan vom Spiel gegen Aarberg bereits vor der Anreise nach Grafenried verpufft. Anders ist es nicht zu erklären, dass es bereits nach 16 Minuten 3:0 für die Platzherren stand und sich der FCB den Traum eines Punktgewinns bereits abschminken konnte.
Kraftlos, ideenlos, chancenlos
Was der FCB in Grafenried geboten hat, lässt gegen das Derby gegen den SC Rüti kaum Spekulationen zu einem Punktegewinn zu. Die Verteidigung offenbarte eklatante Mängel in Sachen Organisation und Kommunikation. Es gab Szenen zuhauf, da standen 2-3 Angreifer völlig frei im Sechzehner des FCB und konnten beim Abschluss die Ecke aussuchen. Das Grafenried nicht höher gewann, ist alleine der mittelmässigen Chancenauswertung des Gastgebers geschuldet. Das Umschalten von Angriff auf Verteidigung in den Reihen des FCB vollzog sich viel zu schwerfällig, von Kompaktheit keine Spur . Da fehlte der Wille, ein Quentchen mehr zu investieren, um den Angriff des Gegners zu unterbinden. Der Sturm, oftmals in seinen Bemühungen allein gelassen, zeigte guten Willen, scheiterte aber an der eigenen Courage, oder an der aufmerksamen Defensivarbeit des FC Grafenried.
Grafenried ein Vorbild in Sachen Kommunikation
Wir haben schon mehrmals kritische bemerkt, dass die Kommunikation beim FCB ein leidiges Thema ist. Da konnte man sich eine Scheibe beim SC Grafenried abschneiden. Praktisch jeder Ball wurde kommentiert, mögliche Lösungen kurz und prägnant an den Mann gebracht. Zurufe wie "Achtung hinter dir!" "Lauf!" "Spiel den Ball!" "Aufrücken!" werden im Team akzeptiert und umgesetzt. Das Verschieben des ganzen Teams funktioniert und Konter werden mit Tempo und Präzision gefahren.
Der FCB lässt kurz Klasse aufblitzen
Beim Stand von 4:0 demonstriert der FCB, mit welchen Mitteln und entsprechendem Engagement erfolgreich Fussball gespielt werden kann. Nick Eggenberger und Fabian Schuler verkürzten innerhalb von 2 Minuten auf 4:2.
Das Aufbäumen hält sich in Grenzen
In der zweiten Halbzeit, auf eine erfolgreiche Aufholjagd warteten die erneut auswärts zahlreich aufmarschierten FCB-Fans vergebens, fiel der FCB wieder ins alte Fahrwasser zurück und liess sich mal für mal auskontern. Dabei fielen die Tore fünf, sechs und sieben.
Spielerdecke zu dünn
Der FCB befindet sich mit seinen sieben Verletzten in einer ungemütlichen Lage. Ein Konkurrenzkampf um Stammplätze findet kaum oder nicht statt und Trainingseinheiten leiden unter akutem Personalmangel. Wochenende für Wochenende muss der Trainer auf gesperrte Spieler verzichten und das Team umbauen. Wie in drei Teufels Namen soll man so arg gebeutelt, erfolgreich sein können? Die Vereinsführung ist gefordert, personell und konzeptionell. Einen weiteren Aufschub mag es nicht mehr leiden.
Im Matchprogramm Nr. 42 FCB - Aarberg war zu lesen
FCB – Wie weiter?
Seit 8 Begegnungen ist der FCB nun sieglos und er steuert auf einen Negativrekord zu, den es so noch nie gegeben hat. Pro Spiel kassiert er 4.25 Tore (letzte Saison 3 Tore) und schiesst im Schnitt lediglich 1 Tor (Saison 2023/24 2 Tore). Bei den Strafpunkten ist gegenüber der letzten Saison eine minimale Verbesserung zu verzeichnen, mit 23 Strafpunkten liegt der FCB in diesem Ranking auf Platz 3 hinter Prishtina Bern (30) und Aegerten Brügg (26). Diese Tabelle könnte, fängt sich der FCB auf, am Ende der Saison entscheidenden Charakter haben.
Nach nüchterner Betrachtung der Tabelle, ist der Zug noch nicht abgefahren. Man muss sich allerdings die Frage stellen, wenn man gegen Schüpfen, Täuffelen, Ins/Müntschemier und Grünstern, alles keine Übermannschaften, nicht punkten kann, wie um Himmels willen will man Aarberg, Grafenried und Rüti bezwingen, um sich aus der misslichen Lage befreien zu können? Gerade gegen Aarberg und Rüti wäre eine Annäherung an die Tabellennachbarn wichtig und richtungsweisend.
Zugegeben, im Spiel gegen Grünstern war der Wille, was zu bewerkstelligen sichtbar. Bereits in der 1. Minute schiesst Fabian Schuler den FCB in Führung, zwei Minuten später gleicht Grünstern bereits aus. Ein ähnliches Szenario und ähnlich unnötig im Spiel in Täuffelen. Büren geht in der 19. Minute völlig verdient in Führung und kassiert sechs Minuten später den Ausgleich. Gegen Prishtina kassiert der FCB bereits in der 5. Minute das erste Tor, gegen Bolligen war es die 3. Minute, gegen Bern und Aegerten jeweils die 6. Minute. Diese Tatsachen und das negative Torverhältnis von 26 Treffern sprechen eine klare Sprache, in der Defensive ist der Wurm drin, könnte man meinen. Sicher ist diese Aussage ein Teil der Wahrheit. Dazu gehört aber auch, dass im Spiel des FCB ein Chef und Antreiber sträflich vermisst wird. Ebenfalls eine Tatsache ist, dass die älteren Semester, welche das Rüstzeug zum Leithammel vorweisen können, dies im Spiel nicht ausleben und sich teils noch ausser Form präsentieren. Ein weiterer Punkt ist das leidige Thema der Chancenauswertung. Im Spiel gegen Schüpfen, Täuffelen und Ins verballerte man einen möglichen Punktgewinn. Gegen Grünstern machte diese Schwäche den Hauptunterschied aus. Grünstern spielte keineswegs dominant und schoss, wenn sich die Gelegenheit ergab, die Tore. In der zweiten Halbzeit, Büren spielte nach dem ungerechtfertigten Platzverweis in der 70. Minute von Luc Gutbub nur noch mit zehn Mann, war ein Klassenunterschied kaum feststellbar.
Gesucht ein Organisator und Chef
Ein Chef auf dem Platz fehlt, der sich als Antreiber, Schaltzentrale und Kommunikator ins Spiel einbringt. Während eines Spiels ist selten ein "hesch Zyt", "Achtung im Rügge" oder "schpiu zrugg" zu vernehmen. Die Unsicherheit und Ungewissheit bei der Ballannahme oder dem Passspiel verleitet zu Hektik, und diese Hektik ist auf dem Spielfeld sichtbar und spürbar. Die Unsicherheit ist omnipräsent.
Immer wieder die Torhüterfrage
Am 30. September verletzt sich Stammtorhüter Simon Käser im Spiel gegen den FC Orpund (30.09.2023) und fällt nach erster Diagnose 6 – 8 Wochen aus. Er nimmt das Training nicht mehr auf und gibt kurz vor Saisonstart den Rücktritt bekannt. Tim Blatter verletzt sich anfangs August. Auch er fällt für mindestens 6 – 8 Wochen aus. Nach 8 Spieltagen ist an einen Einsatz immer noch nicht zu denken. Harry Benz, sonst Feldspieler und neu auch als Torhüter in der 2. Mannschaft im Einsatz, steht bei den beiden Cupspielen im Tor. Der FCB transferiert mittlerweile Julian Von Heydebrand und der steht gegen Prishtina und FC Bern im Tor. Er verletzt sich in Bern und plötzlich steht der FCB wieder ohne Torhüter da. Noe Fankhauser erklärt sich bereit und steht nun seit der Begegnung gegen Aegerten im Tor. Ab anfangs Saison hat das Team von Patrick Meier praktisch sämtliche Trainingseinheiten ohne einen Stammtorhüter absolvieren müssen. Wahrlich, keine guten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vorrunde.
Ferienplanung und Teamsport
Der ausgedünnte Kader erleidet in den Herbstferien, betroffen sind jeweils 2 Spiele, durch Abwesenheiten eine akute Personalnot. Kommt dazu, dass ein normaler Trainingsbetrieb während dieser Zeit kaum möglich ist. In dieser Vorrunde waren die Spiele gegen Ins/Müntschemier und Grünstern betroffen. Gegner mit Aussicht auf einen möglichen Punktgewinn und zugleich Hoffnung für einen Turnaround. Aber es ist, wie es ist. Der Fussball als Teamsport, angewiesen auf Solidarität und Kooperation, geniesst längst nicht mehr den Stellenwert früherer Jahre, andere Bedürfnisse rücken in den Vordergrund.
Bei Anspruch auf 3. Liga oder höher - Spielersuche oder Fusion
Die sportliche Leitung des FCB wird wohl nicht darum herumkommen, sich nach Verstärkung umzusehen. Dabei ist das Hauptaugenmerk mit Sicherheit auf einen Regisseur nicht der falsche Ansatz. In Zusammenarbeit mit dem Trainergespann werden mit Bestimmtheit die richtigen Schlüsse aus der Vorrunde gezogen.
Ergeben diese Bemühungen keine Resultate, gibt es zwei mögliche Szenarien.
Szenario 1:
Der Verein ist eine reine Spassgesellschaft, man tummelt sich in den unteren Regionen der Ligen und stellt sportlich keine hohen Ansprüche.
Die Finanzierung des Vereins beruht aktuell auf 85% eigene Mittelbeschaffung und ca. 15% à fonds perdue durch die öffentliche Hand. Bei schwindender Attraktivität des Vereins sind der Mittelbeschaffung durch Sponsoring Grenzen gesetzt. Der Anteil an Einnahmen durch das Sponsoring betragen zurzeit ca. 35-40%. Die Fixkosten können nur unwesentlich eingeschränkt werden. Früher oder später muss die öffentliche Hand Defizite ausgleichen.
Szenario 2:
Der Verein und Mitglieder stellen höhere Ansprüche und sehen sich in Zukunft als Fixstarter in der 3. Liga, ev. sogar in der regionalen 2. Liga.
Der Kader Saison 2024/25 ist den heutigen Ansprüchen kaum gewachsen. Ausfälle durch Verletzung, Militär, Ferien oder Sperre durch Karten ist ein stetiger Begleiter der 1. Mannschaft. Als Aushilfe müssen die Junioren B und/oder die 2. Mannschaft aushelfen und gelangen so ebenfalls an ihre Grenzen. Dieser Umstand ist für alle frustrierend und für die Entwicklung der Teams wenig hilfreich. Die zu kleinen Kader lassen kaum einen Konkurrenzkampf zu. Für die Zukunft sieht die Sache mit Einbau von eigenen Junioren in die Aktivmannschaften nicht vielversprechend aus. Die Überlegung einer Fusion (z.B. mit dem SC Rüti) müsste mal angestossen werden. So wie sich der Regionalfussball im Seeland entwickelt, ist dieser Schritt sowieso nur eine Frage der Zeit.
Der Trainer steht nicht im Fokus
Patrick Meier ist nicht zu beneiden. Die Kennenlernphase und eine gezielte Vorbereitung auf die Mission "Klassenerhalt" ist nach Abschluss der vorangegangen Saison äusserst kurz und lässt kaum Raum für grosse Veränderungen oder für das Aufholen des Fitnessstandes des Teams. Mitte Juni endet die Saison, Juli und August ist Ferienzeit und in der ersten Woche August geht es bereits mit dem Delaay Sport Berner Cup los und die Saison startet bereits in der 2. oder 3. Woche im August. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kader durch Verletzungen arg dezimiert ist (aktuell 8 Verletzte) und der Trainer meist auf Spieler der Junioren B und der 2. Mannschaft zurückgreifen muss. Wie gesagt, der der Trainer ist in dieser schwierigen Situation nicht zu beneiden.
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